Immo­bilien
Ar­ti­kel • 2021-01-25

Neue Geo­gra­fie Bü­ro­markt

„Auf dem Bü­ro­markt ent­steht eine neue Geo­gra­fie“

Zahl­rei­che Trends, Ent­wick­lun­gen und nun auch die Co­ro­na-Pan­de­mie wir­ken auf den deut­schen Bü­ro­im­mo­bi­li­en­markt. Pro­fes­sor Dr. Tho­mas Bey­er­le von Catel­la gibt Ein­bli­cke.

Le­se­zeit: 6 Mi­nu­ten
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In den ver­gan­ge­nen Jah­ren ha­ben zahl­rei­che Trends und Ent­wick­lun­gen ihre Spu­ren auf dem Bü­ro­im­mo­bi­li­en­markt hin­ter­las­sen. Nun kommt auch noch COVID-19 hin­zu. Wer­den künf­tig über­haupt noch so vie­le Bü­ro­flä­chen be­nö­tigt – und wenn ja, wel­che? Dar­über und wie sich Trends auf die Bü­ro­im­mo­bi­li­en­märk­te aus­wir­ken, ha­ben wir mit Pro­fes­sor Dr. Tho­mas Bey­er­le, Head of Re­se­arch der Catel­la-Grup­pe, ge­spro­chen.

Wealth­cap hat die Stu­die „Future Of­fice – Bü­ro­la­gen mit Perspektive“ er­stellt, an der Sie mit­ge­wirkt ha­ben, Herr Pro­fes­sor Dr. Bey­er­le. Ak­tu­ell je­doch ar­bei­tet pan­de­mie­be­dingt ein Groß­teil der Be­schäf­tig­ten von zu Hau­se. Sind die Er­geb­nis­se der Stu­die durch die neu­en Trends und Ent­wick­lun­gen über­haupt noch re­le­vant?

Pro­fes­sor Dr. Tho­mas Bey­er­le: Das sind sie auf je­den Fall! Denn wir wer­den das Büro auch wei­ter­hin brau­chen. Künf­tig muss sich so­gar noch stär­ker die Fra­ge ge­stellt wer­den, wel­che Stand­or­te und Mi­kro­la­gen sich in Zu­kunft loh­nen. Statt ei­ner Eli­mi­nie­rung der Ar­beit im Of­fice wird eine Ver­än­de­rung der Prä­senz­zeit aus der Pan­de­mie re­sul­tie­ren. Ar­beit­neh­mer wer­den die Räum­lich­kei­ten nicht mehr acht Stun­den am Tag von Mon­tag bis Frei­tag nut­zen. Viel­mehr wer­den die ein­zel­nen Mit­arbeiter an den Wo­chen­ta­gen ro­tie­ren. Das Ge­schäfts­mo­dell von Miet­ver­trä­gen bei Büro­immobilien wird ei­nen Wan­del er­le­ben und es wird sich eine neue Geo­gra­fie auf dem Bü­ro­im­mo­bi­li­en­markt er­ge­ben. Da­her ist nach COVID-19 von ei­ner Preis­stei­ge­rung in zen­tra­len La­gen aus­zu­ge­hen.

Das müss­te ja be­deu­ten, dass künf­tig we­ni­ger Fläche be­nö­tigt wird?

Pro­fes­sor Dr. Tho­mas Bey­er­le: In be­stimm­ten La­gen wird künf­tig we­ni­ger Fläche be­nö­tigt, das stimmt. Die­ser Zu­stand re­sul­tiert al­ler­dings vor al­lem aus der an­ge­spro­che­nen star­ken Kon­zen­tra­ti­on auf zen­tra­le Stand­or­te und nicht aus den Fol­gen der Pan­de­mie. Die Bü­ro­flä­chen­nach­fra­ge in Ber­lin wird auch wei­ter­hin we­sent­lich grö­ßer sein als in ei­nem Dorf ir­gend­wo zwi­schen Kiel und Gar­misch-Par­ten­kir­chen. Un­ter­neh­men wer­den lie­ber eine klei­ne­re Fläche an ei­nem Top­stand­ort zu ei­ner hö­he­ren Mie­te wäh­len als eine zwei­fel­haf­te Lage. Die Zu­kunft ist da­her eine Ver­or­tung der Räum­lich­kei­ten an ei­nen zen­tra­len, schnell zu er­rei­chen­den Stand­ort: mehr Ar­beit­neh­mer ab­wech­selnd auf we­ni­ger, aber qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge­rer Fläche – zu ei­nem hö­he­ren Miet­preis. Ent­spre­chend wird die struk­tu­rel­le Nach­fra­ge nach Spit­zen­ob­jek­ten wei­ter­hin an­hal­ten.

Die zehn Jah­re vor der Pan­de­mie wa­ren un­ge­wöhn­lich und ge­prägt durch stei­gen­de Prei­se, ge­rin­ge Leer­stän­de und nied­ri­ge Zin­sen. Re­sul­tat wa­ren im­mer wei­ter sin­ken­de Ren­di­ten. Den­ken Sie, dass die­se Si­tua­ti­on un­ab­hän­gig von COVID-19 an­hal­ten wird?

Pro­fes­sor Dr. Tho­mas Bey­er­le: De­fi­ni­tiv. Wenn wir uns an den Ka­pi­tal- und Fi­nanz­märk­ten als Im­puls­fak­tor ori­en­tie­ren, kön­nen wir nicht von ei­ner Zins­än­de­rung in ab­seh­ba­rer Zeit aus­ge­hen. Ak­tu­ell fließt mehr Ka­pi­tal denn je in die An­la­ge von Immo­bilien. Das klingt auf den ers­ten Blick po­si­tiv, be­deu­tet aber im Rück­schluss auch, dass die Ren­di­te lang­fris­tig im­mer wei­ter sinkt.

Kann in dem Zu­sam­men­hang von ja­pa­ni­schen Ver­hält­nis­sen ge­spro­chen wer­den?

Pro­fes­sor Dr. Tho­mas Bey­er­le: Teil­wei­se schon. Schließ­lich re­den wir tat­säch­lich von ei­ner lang an­hal­ten­den Pe­ri­ode, die von ge­rin­gem Wirt­schafts­wachs­tum, nied­ri­ger In­fla­ti­on und nied­ri­gen Zin­sen ge­prägt ist. Je­doch sehe ich das Sze­na­rio in Deutsch­land nicht ganz so dras­tisch wie in Ja­pan. Zum Bei­spiel liegt im­mer noch eine hohe Er­werbs­tä­tig­keit in­ner­halb der Be­völ­ke­rung vor. Auf der an­de­ren Sei­te las­sen sich Fak­to­ren wie nied­ri­ge Ren­di­ten und Zin­sen nicht ver­leug­nen. Den­noch bli­cke ich der Zu­kunft po­si­tiv ent­ge­gen. Na­tür­lich war eine Ren­di­te von sechs Pro­zent bes­ser, aber wir soll­ten die ak­tu­el­len Zei­ten auch nicht schwarz­ma­len. Sie zwin­gen im Hin­blick auf Gebäude schlicht­weg zu Ef­fi­zi­enz und zu ei­ner in­ten­si­ve­ren Nut­zung der Flächen.

Die Prei­se für Büro­gebäude und -mie­ten wer­den schon des­halb wei­ter stei­gen, weil sehr viel Ka­pi­tal ver­füg­bar ist und es an at­trak­ti­ven Al­ter­na­ti­ven man­gelt. Selbst im Co­ro­na-Jahr 2020, in dem deut­lich we­ni­ger Ver­mie­tun­gen und Trans­ak­tio­nen statt­ge­fun­den ha­ben, sind al­len Un­ken­ru­fen zum Trotz Prei­se und Mie­ten in den größ­ten Städ­ten sta­bil ge­blie­ben, teil­wei­se so­gar mo­de­rat ge­stie­gen. Al­ler­dings ist eine Sprei­zung zu be­ob­ach­ten: Man­che Flächen las­sen sich nicht mehr so gut ver­mark­ten. Da­für wird in Spit­zen­la­gen auch im Lock­down-Win­ter zum Teil mehr ge­zahlt als je­mals zu­vor, wie jüngs­te Ab­schlüs­se zei­gen.

Ri­si­ko­ma­na­ger wer­den schon aus Sor­ge, dass der Markt sich dreht und der Ab­wer­tungs­be­darf in Top­la­gen ge­rin­ger ist, Immo­bilien in ent­spre­chen­den La­gen zur In­ves­ti­ti­on be­vor­zu­gen. Eine gro­ße Nach­fra­ge um we­ni­ge Ob­jek­te drückt sich aber­mals in ei­ner Preis­stei­ge­rung aus. Mei­ner Ein­schät­zung nach wer­den die Ren­di­ten sich bei ca. ein bis zwei Pro­zent ein­pen­deln und die Be­wer­tun­gen ent­spre­chend an­ge­passt. So­lan­ge die Fläche in ei­ner gu­ten zen­tra­len Lage an­ge­sie­delt ist, lässt sich durch­aus mit ei­ner Ren­di­te in die­ser Grö­ßen­ord­nung um­ge­hen. Wir be­we­gen uns ins­ge­samt auf ein völ­lig neu­es Ren­di­te­ni­veau zu, das se­hen wir ja auch bei an­de­ren As­set­klas­sen.

Könn­te es nicht auch sein, dass Risiken nach der Co­ro­na-Kri­se in Form hö­he­rer Ri­si­ko­prä­mi­en wie­der ad­äquat ein­ge­preist wer­den?

Pro­fes­sor Dr. Tho­mas Bey­er­le: De­fi­ni­tiv, und ich sehe da kei­nen Wi­der­spruch. Der Ka­pi­tal­markt hat be­reits 2015/2016 da­mit be­gon­nen, das alte Mo­dell vom 20-jäh­ri­gen Miet­ver­trag mit ei­ner Bank oder Be­hör­de – wo­mög­lich noch am Stadt­rand – aus stra­te­gi­scher Sicht zu hin­ter­fra­gen. Dies führ­te in den Boom­jah­ren zu der ab­sur­den Si­tua­ti­on, dass Büro­immobilien mit kurz­fris­ti­gen Miet­ver­trä­gen oder aus­zugs­wil­li­gen Mie­tern teil­wei­se hö­he­re Prei­se erzielen konn­ten als ver­gleich­ba­re Ob­jek­te mit lang lau­fen­den Ver­mie­tun­gen an bo­ni­täts­star­ke und zu­ver­läs­si­ge Mie­ter – schlicht­weg, weil sich ge­plan­te Miet­erhö­hun­gen durch Neu­ver­mie­tun­gen so schnel­ler rea­li­sie­ren lie­ßen.

Mit die­ser An­oma­lie ist es ohne Miet­preis­stei­ge­rungs­fan­ta­sie nun aber vorbei. Der Ge­dan­ken­gang, si­gni­fi­kan­te Miet­preis­stei­ge­run­gen bei Neu­ver­mie­tung am Markt durch­set­zen zu kön­nen, ist nicht mehr in den Köp­fen der Men­schen. Eine lan­ge Rest­miet­ver­trags­lauf­zeit sowie bo­ni­täts­star­ke Mie­ter sind wie­der po­si­ti­ve Fak­to­ren. Da­her wird im ge­gen­tei­li­gen Fall eine Ri­si­ko­prä­mie fäl­lig und das The­ma Si­cher­heit steht wie­der hö­her im Kurs. Zu­gleich wird noch im­mer viel zu häu­fig von rein­ras­si­gen Bü­ro­märk­ten und Bü­ro­ge­bäu­den ge­spro­chen. Zu­kunft und Re­si­li­enz lie­gen aber in ge­misch­ten Quar­tie­ren und Immo­bilien mit Misch­nut­zun­gen, die sich gar nicht mehr ein­deu­tig der ei­nen oder an­de­ren Nut­zungs­art zu­ord­nen las­sen. So wie auch unsere Le­bens- und Ar­beits­wel­ten zu­neh­mend in­ein­an­der­grei­fen.

Wel­che La­gen be­son­ders si­cher sind, aber auch wel­che Po­ten­zia­le sie bieten, lässt sich auch aus der Wealth­cap Stu­die und dem Bü­ro­la­gen-Scoring gut ab­lei­ten. Was kön­nen Scorings denn im Hin­blick auf In­ves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen Ihrer Mei­nung nach leisten und was nicht?

Pro­fes­sor Dr. Tho­mas Bey­er­le: In­ves­to­ren, für die ein be­stimm­ter Stand­ort noch Neu­land ist, er­hal­ten durch das Wealth­cap Scoring eine sehr gute Grund­la­ge für In­ves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen. Eta­blier­te Geld­an­le­ger wer­den in ih­rem bis­he­ri­gen In­ves­ti­ti­ons­ver­hal­ten be­stärkt oder auf neue Po­ten­zia­le auf­merk­sam ge­macht. Nichts­des­to­trotz lie­fert die Stu­die kei­ne In­ves­ti­ti­ons­emp­feh­lun­gen, erst recht nicht für ein be­stimm­tes Ob­jekt. Das muss der In­ves­tor na­tür­lich im­mer noch selbst be­wer­ten. Zu­dem be­trach­ten wir nur die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on und kön­nen kei­nen Blick in die Glas­ku­gel wer­fen. Al­ler­dings sind wir be­reits ei­nen Schritt wei­ter als an­de­re Stu­di­en ge­gan­gen und ha­ben die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren an Be­deu­tung ge­win­nen­den und mit Si­cher­heit nach der Pan­de­mie wie­der re­le­van­ter wer­den­den Trends Mo­bi­li­tät und Ein­kaufs­ver­hal­ten mit ein­be­zo­gen. Die Men­schen und ihre Bedürf­nisse ha­ben sich ver­än­dert. Än­dern sich die An­sprü­che, muss na­tür­lich auch der Schwer­punkt ei­ner Stu­die an­ge­passt wer­den. Sie bie­tet so­mit ei­nen ab­so­lu­ten Mehr­wert ge­gen­über klas­si­schen Stand­ort­ana­ly­sen. Da­her pas­sen unsere Er­kennt­nis­se per­fekt in die Zeit.

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#Future Of­fice

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FUTURE OFFICE: Auf dem Bü­ro­markt ent­steht eine neue Geo­gra­fie Die 2010er Jah­re wa­ren ein gol­de­nes Jahr­zehnt für die deut­schen Bü­ro­im­mo­bi­li­en­märk­te, ge­prägt von ei­nem ste­ti­gen, ja fast ma­kel­lo­sen Auf­schwung. Mar­kiert das Co­ro­na-Jahr 2020 nun die Trend­wen­de? Oder han­delt es sich le­dig­lich um eine kur­ze Atem­pau­se?

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