Warum eine zukunftsfähige Stadt gut auf Krisen reagieren muss
Das Wegbrechen einer wichtigen Industrie oder eine Umweltkatastrophe können zu einer existenziellen Bedrohung für eine Stadt werden. Warum für Immobilieninvestoren die Krisenfestigkeit eines Standorts auch sonst immer wichtiger wird.
Welche Faktoren sind in den nächsten 100 Jahren entscheidend für eine zukunftsfähige Stadt? Wissenschaftler messen die Krisenfestigkeit – auch Resilienz genannt – über eine Reihe von Faktoren: Dazu gehören unter anderem gesunde städtische Finanzen und eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur. Die deutsche Stadt mit der höchsten Krisenfestigkeit ist Frankfurt am Main. Unter den vier deutschen Millionenstädten liegt München ganz vorn. Immobilieninvestoren sollten künftig die Krisenfestigkeit eines Standorts noch stärker berücksichtigen, da er ein wichtiger Indikator für die Zukunftsfähigkeit und Stabilität eines Standortes ist.
Die Mississippi-Metropole New Orleans, die sich bis heute nicht von den Folgen des Hurrikans Katrina vor zwölf Jahren erholt hat, die wirtschaftlich ruinierte Autostadt Detroit oder einige vom Strukturwandel gezeichnete Ruhrgebietsstädte wie Dortmund und Duisburg: Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie wichtig die Krisenfestigkeit von Städten ist und welch fatale Entwicklung eine ehemals prosperierende Stadt nehmen kann. Viele Stadtplaner gehen sogar so weit, dass sie die Krisenfestigkeit (Resilienz) als die wichtigste Komponente für die Entwicklung einer Metropole bewerten. Nur eine robuste Stadt ist in der Lage, sich kontinuierlich auf immer neue Rahmenbedingungen in einer sich wandelnden Welt einzustellen.
Die resiliente (krisenfeste) Stadt ist vorbereitet auf plötzliche oder dauerhafte Veränderungen der klimatischen, demographischen oder wirtschaftlichen Grundlagen.
- Schuldendienstquote in Prozent der Gesamtausgaben
- Eigenständige Einnahmen in Prozent der Gesamteinnahmen
- Anteil der drei größten Arbeitgeber an der Gesamtbeschäftigung in Prozent
- Notfallpläne für verschiedenartige Naturkatastrophen
- Rückstellungen im Haushalt für Katastrophenfälle
- Klimaanpassungsstrategie
Zukunftsfähige Stadt: Sechs Kriterien zur Messung der Krisenfestigkeit
Wie kann die Krisenfestigkeit überhaupt wissenschaftlich erfasst werden? Das Fraunhofer Institut für Arbeit und Organisation hat den Morgenstadt City Index zur Analyse der Zukunftsfähigkeit von Städten entwickelt. Eine von vier Subkategorien ist die Resilienz. In diesem Panel werden sechs Kriterien je Stadt untersucht. Mit den ersten beiden Kriterien wird die Gesundheit der städtischen Finanzen analysiert, da die finanzielle Handlungsfähigkeit einer Stadt von großer Bedeutung ist. Bewertet werden der Anteil der Gesamtausgaben, der auf den Schuldendienst entfällt (Schuldendienstquote) sowie der Anteil der eigenständigen Einnahmen an den Gesamteinnahmen.
Mit dem dritten Kriterium wird die Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur untersucht. Die Wissenschaftler bewerten dabei den Anteil der drei größten lokalen Arbeitgeber an der Gesamtbeschäftigung. Ist dieser sehr hoch, besteht ein Klumpenrisiko. Mit den Kriterien vier und fünf werden die Vorsorgemaßnahmen der Städte für (Natur-) Katastrophen untersucht. Der sechste Faktor ist schließlich die Klimaanpassungsstrategie, die eine Stadt verfolgt.
Die Top-Ten der deutschen Städte mit der höchsten Krisenfestigkeit
Das Fraunhofer Institut für Arbeit und Organisation hat den Morgenstadt City Index zur Analyse der Zukunftsfähigkeit von Städten entwickelt. Ein Ranking und die erreichten Punkte (von insgesamt 60) im Untersegment Resilienz zeigt die folgende Galerie.
01
Frankfurt am Main
ist die resilienteste Stadt in Deutschland
Die Stadt mit der höchsten Resilienz in Deutschland ist Frankfurt am Main. Die Mainmetropole erreicht 52 von 60 Punkten. Der laufende Schuldendienst ist mit 2,9 Prozent der Gesamtausgaben extrem niedrig. Im Gegenzug sind die eigenständigen Einnahmen, das heißt die Einnahmen, die nicht aus Transferleistungen etwa vom Bund oder den Ländern stammen, mit rund 88 Prozent im Vergleich sehr hoch. Hinzu kommt: Die Abhängigkeit von den drei größten Arbeitgebern ist – trotz der Konzentration der Banken – gering.
Auf die drei größten Arbeitgeber entfallen in Frankfurt insgesamt 7,5 Prozent der Beschäftigten. Notfallpläne, Rückstellungen im Haushalt für Katastrophenfälle sowie die Klimaanpassungsstrategie der Stadt werden von den Experten vom Fraunhofer Institut als sehr gut bewertet.
02
Nürnberg
Die Frankenmetropole erreicht Platz zwei unter den krisenfesten Städten
Auf dem zweiten Rang der krisenfesten Städte folgt die fränkische Metropole Nürnberg, die 50,4 Punkte erreicht. Ähnlich wie in Frankfurt ist der laufende Schuldendienst sehr gering (2,7 Prozent der Gesamtausgaben). Ebenfalls gering ist die Abhängigkeit von den drei größten Arbeitgebern.
Auf diese entfallen nur 5,5 Prozent aller Beschäftigten. Hinzu kommt: Die Experten vom Fraunhofer Institut stufen die Vorbereitungen für Katastrophenfälle, die finanziellen Rückstellungen dafür und die Klimaanpassungsstrategie als sehr gut ein.
03
München
Deep Dive München: Best Practice Beispiel für eine zukunftsfähige Stadt
Am Beispiel München soll die Resilienz einer Metropole ausführlicher dargestellt werden: Besonders positiv fällt der städtische Haushalt auf. So ist allein für das Jahr 2016 eine Nettoschuldentilgung von 49 Millionen Euro eingeplant. Beeindruckend ist der Schuldenabbau seit dem Jahr 2005: Ausgehend vom Schuldenhöchststand von 3,4 Milliarden Euro im Jahr 2005 hat die Stadt bis zum Jahresende 2015 über 2,5 Milliarden Euro Kredite getilgt. Die Kredite der bayerischen Landeshauptstadt sind mit rund 765 Millionen Euro fast so niedrig wie zuletzt vor 34 Jahren (Stand 1982 rund 698 Millionen Euro)¹.
Investitionen in die Zukunft statt Schuldenberg
Der geringe Schuldenstand weitet den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt München erheblich aus: Nur 0,96 Prozent des städtischen Budgets fließen in die Schuldentilgung. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Stadt einen Großteil ihrer Einnahmen investieren kann. Auch die 86 Prozent Eigenfinanzierung der Ausgaben – im Gegensatz etwa zu Transferzahlungen des Bundes – zählen zu den Spitzenwerten im Städtevergleich. Im Gegensatz zu den anderen drei Millionenstädten Berlin, Hamburg und Köln besitzt München durch seine soliden Finanzen ein Alleinstellungsmerkmal. So beläuft sich die Eigenfinanzierung Berlins beispielsweise nur auf rund 67 Prozent.
Geringe Abhängigkeit von großen Arbeitgebern
Auch die Abhängigkeit der Wirtschaft von einzelnen Großunternehmen ist in München sehr gering: Gemäß der Onlinedokumentation zum Morgenstadt City Index² teilen sich die drei größten Arbeitgeber lediglich 5,52 Prozent der Arbeitskräfte – ein Zeichen für eine gesunde Diversifizierung der lokalen Wirtschaft und somit eine stärkere Krisenfestigkeit des Arbeitsmarktes. Trotz großer Industrieunternehmen wie BMW, Siemens oder Linde arbeitet die große Mehrheit der Münchner in mittelständischen Unternehmen, städtischen Betrieben oder dem Bildungsbereich.
Hohe städtische Aufwendungen zur CO2-Reduzierung
Schließlich spielt die Anpassung an mögliche und tatsächliche Folgen des Klimawandels eine große Rolle für die Resilienz einer zukunftsfähigen Stadt. Man denke etwa an die Folgen von Hochwasserkatastrophen, die Städte unvorbereitet treffen.
Im Bereich Klimaschutz ist München seit Jahren sehr aktiv: 2008 wurde das „Integrierte Handlungsprogramm Klimaschutz in München“ aufgesetzt. Wesentliches Ziel ist eine erhebliche Reduzierung der CO2-Emissionen gemessen am Stand des Jahres 2004. Aktuell wird die Fortschreibung, das Klimaschutzprogramm 2015, umgesetzt, das noch bis einschließlich 2017 läuft. In diesem Rahmen investiert die Stadtverwaltung rund 100 Millionen Euro, um 87 Einzelmaßnahmen umzusetzen – alle mit dem Ziel der CO2-Reduzierung³.
Zukunftsfähige Städte passen sich frühzeitige an den Klimawandel an
Als Vorreiter in Sachen Resilienz positioniert sich München zusätzlich durch sein Konzept zum Klimawandel. 2013 beauftragte der Stadtrat die Erarbeitung eines Maßnahmenplans. Drei Jahre später, im Oktober 2016, konnte das „Konzept zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in der Landeshauptstadt München“ vorgelegt werden.
Neben Messdaten und Handlungsfeldern wurden Maßnahmen entwickelt und ein Monitoring-Konzept erarbeitet. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels für eine sich verändernde und alternde Stadtbevölkerung in einer spezifischen geographischen Lage ermöglicht München früher als anderen Städten, rechtzeitig die Weichen zu stellen.
Dies umfasst beispielsweise die Bekämpfung von Hitzeinseln, eine bessere Stadtbegrünung, den Schutz vor Hochwasser oder dem in jüngerer Zeit vermehrt auftretenden Phänomen Starkregen. Zum Hochwasserschutz gehört beispielsweise die Schaffung von neuen Überflutungsflächen und naturnahen Uferzonen – aktuell beispielsweise im Zuge der Renaturierung von Würm, Hachinger Bach/Hüllgraben, Freibadbächl, Erlbach und Lochhauser Fischbach⁴.
Zu allen Zeiten hatten Städte Krisen zu bewältigen. Städte mit hoher Resilienz sind daran gewachsen, andere konnten ihren Niedergang nicht aufhalten.

Unter den Millionenstädten hat München die höchste Krisenfestigkeit
Unterm Strich ist München eine Stadt, die für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet ist: Dies zeigt vor allem der Vergleich mit den anderen deutschen Millionenstädten. Die bayerische Landeshauptstadt erreicht im Morgenstadt-Index im Panel Resilienz 50,2 Punkte. Hamburg folgt mit 47,7 Punkten, Köln mit 44,2 Punkten und Berlin mit 38,7 Punkten.
QUELLEN
- 1Portal München Betriebs-GmbH & Co. KG, Internetseite, Stand: abgerufen am 23. Juni 2017
- 2Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Morgenstadt City Index, September 2016
- 3Portal München Betriebs-GmbH & Co. KG, Internetseite, Stand: abgerufen am 23. Juni 2017
- 4Herausgeber: Landeshauptstadt München, Publikation: Konzept zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in der Landeshauptstadt München, Erscheinungsdatum: 7. Oktober 2016