Der Wohlfühlfaktor am Arbeitsplatz wird zunehmend zum unverzichtbaren Kriterium für die langfristige Attraktivität eines Büroobjekts. Auf dem Fonds professionell Kongress 2020 in Mannheim erläuterten Stephan Leimbach von JLL und Sebastian Zehrer von Wealthcap, weshalb die Berücksichtigung von Zukunftskriterien schon jetzt ein entscheidender Erfolgsfaktor für Büroinvestments ist.
Die Innovationszyklen werden immer kürzer und die Arbeitswelten ändern sich – mit stetig zunehmender Dynamik. „Die langsam ins Berufsleben eintretende Generation Z stellt ganz andere Ansprüche an ihren Büroarbeitsplatz als die Vorgängergenerationen X und Y“, sagt Sebastian Zehrer, Leiter Research bei Wealthcap. Bei einem Büroimmobilien-Investment sei es deshalb entscheidend für den langfristigen Anlageerfolg, wie gut das Objekt auf die sich wandelnden Arbeitswelten vorbereitet ist – ob hinsichtlich des Standorts und der Lage oder baulicher und technischer Voraussetzungen.
Schaut man sich die heutige Bürowelt an, könnte man zunächst an der Relevanz der gängigen „Future Office“-Konzepte zweifeln: Nach einer Umfrage von JLL arbeiten 83 Prozent der deutschen Büroangestellten in einem geschlossenen Büro, sei es ein Einzelbüro oder ein Gruppenbüro für bis zu sechs Personen. Weitere 15 Prozent arbeiten in Großraumbüros. Lediglich drei Prozent arbeiten „non-territorial“ – das heißt ohne einen festen Arbeitsplatz, sondern in einem Desksharing- oder einem ähnlichen flexiblen Bürokonzept¹. Das Fraunhofer IAO hat kürzlich festgestellt, dass 40 Prozent der Mitarbeiter in deutschen Büros zum Typus „Silent Worker“ und weitere acht Prozent zu den „Thinkern“ gehören – fast die Hälfte der Bürobeschäftigten, ist also auf Ruhe am Arbeitsplatz angewiesen, um bestmögliche Arbeitsergebnisse zu erzielen.²
Diese sieben Typen gibt es in deutschen Büros:
Quelle: eigene Darstellung auf Basis Office Analytics, Erfolgsfaktoren für die Gestaltung einer typbasierten Arbeitswelt, Fraunhofer IAO, 2018.
„Trotzdem ist das Thema ‚Flexible Office‘ für Büroimmobilien-Investments sehr relevant“, sagt Stephan Leimbach, Head of Office Leasing Germany bei JLL. „Denn das Bild der Zukunft sieht anders aus, und dieser Trend zeichnet sich bereits sehr deutlich ab.“ Einer Erhebung der von JLL begleiteten Büroumzüge in den vergangenen drei Jahren in Deutschland zufolge haben sich 35 Prozent der Neumieter für offene Bürostrukturen mit einem teilweisen oder vollständigen non-territorialen Konzept entschieden. Klassische geschlossene Bürostrukturen wurden nur in 15 Prozent der Fälle vermittelt. „Es dauert einfach eine Weile, bis sich dieser Trend bei den Neuvermietungen auch signifikant im Bestand bemerkbar macht“, schlussfolgert Leimbach.
Neben der Flexibilität spielt vor allem der Wohlfühlfaktor am Arbeitsplatz – „Wellbeing“ – eine Schlüsselrolle für das Büro der Zukunft. „Dahinter steckt wesentlich mehr als Lounge und Kickertisch“, erklärt JLL-Experte Leimbach. Das Arbeitsumfeld müsse zum Mitarbeitertypus und zur Unternehmensphilosophie passen. „Was brauche ich, um mich wohlzufühlen und produktiv arbeiten zu können?“
Diese Umzüge von Büronutzern hat JLL den vergangenen drei Jahren begleitet:
Quelle: JLL im Rahmen 19. Fonds professionell Kongress in Mannheim
Diese Frage ist inzwischen auch bei den Entscheidern in den Unternehmen angekommen. Leimbach hat den Paradigmenwechsel auf die Formel „300-30-3“ gebracht: Ein typisches Unternehmen bezahlt drei Euro Nebenkosten und 30 Euro Kaltmiete pro Monat und Quadratmeter. Die Personalkosten in seinem Büro belaufen sich aber umgerechnet auf 300 Euro pro Quadratmeter. „Wo sitzt jetzt der größere Hebel?“, fragt Leimbach. „Bei der Senkung der Nebenkosten um zehn Prozent oder Steigerung der Produktivität seiner Mitarbeiter um zehn Prozent?“ Allerdings müssen dafür auch die Finanzchefs überzeugt werden, da die Produktivitätssteigerung durch Wohlbefinden der Mitarbeiter schlechter messbar ist als eine Senkung der Warmmiete. Deshalb sollten neben den Finanz- die Personalchefs bei der Auswahl und Gestaltung der Arbeitsumgebung eingebunden werden. Für Leimbach jedenfalls steht fest: Ein Wellbeing-Office fördert die Motivation, reduziert Krankheitstage und führt zu weniger Kündigungen.
Wellbeing ist aber nur ein Faktor von vielen. Leimbach hat deshalb fünf Tipps für ein zukunftssicheres Büroinvestment aus Investorensicht:
Wellbeing ist nur ein Faktor von vielen. Hier sind fünf Tipps für ein zukunftssicheres Büroinvestment aus Investorensicht:
- Blick schärfen:
Die aktuelle Marktsituation trübt den Blick, doch früher oder später sind Spreu und Weizen wieder voneinander zu trennen. Es ist besser, frühzeitig damit anzufangen und bereits jetzt den Blick zu schärfen. - Auf Flexibilität achten:
Büroimmobilien müssen möglichst flexibel auf die Wünsche der Mieter anpassbar sein. Raumtiefe und Raumhöhe müssen moderne Bürokonzepte zulassen. - Hypes nicht unterschätzen:
Nachhaltigkeit und Smart Office werden zur Selbstverständlichkeit. Ein Zertifikat wird vorausgesetzt, kein Zertifikat wird abgestraft. Dasselbe gilt für das Smart Office. Noch eine Seltenheit, wird es in Kürze zu einem Hype und danach ganz selbstverständlich. - Coworking dosieren:
Coworking ist keine Modeerscheinung, die schnell verpufft. Das Konzept funktioniert, sonst fände es keine Mieter, aber nicht unbedingt als Selbstläufer. Bei einem Coworking-Anteil von 20 Prozent an der Fläche einer Büroimmobilie können Bestandsmieter atmen. Das erhöht nachweislich den Wert einer Immobilie. - Der Mieter ist König:
Ein vereinfachter Anmietprozess (Mietvertrag auf zwei Seiten) sowie eine kurze Vertragslaufzeit erhöhen die Attraktivität für potenzielle Mieter. Vermieter können wiederum die Mieten in kürzeren Intervallen erhöhen.
„Die Arbeitswelten werden zunehmend als Teil der Unternehmensstrategie begriffen“, sagt Sebastian Zehrer. Gefragt ist ein variables Bürokonzept, das den Raum und seine Nutzer mit ihren individuellen Ansprüchen situationsgerecht zusammenbringt. „Für Immobilienspezialisten stellt das keine einfache Aufgabe dar, da jeder Nutzer und jedes Unternehmen individuelle Vorstellungen mitbringt“, so Zehrer. Deshalb sei Flexibilität ein unverzichtbares Kriterium – aber bei weitem nicht das einzige. „Hinzu kommen zum Beispiel Standort und Lage, da künftige Generationen ein neues Verständnis von Mobilität haben.“ In der Wealthcap-Themenpapierreihe „Future Office“ erfahren Sie mehr zu den Kriterien für das Büro der Zukunft.
Wealthcap setzt sich in einer aktuellen Themenpapierreihe mit dem Thema #FutureOffice auseinander. Darin erfahren Sie mehr über die unterschiedlichen Parameter des Büros von Morgen, jeweils aus der Perspektive des Nutzers, des Mieters, des Asset Managers sowie des Investors.
- Teil 1: Der Nutzer „Wer sind die Büronutzer der Zukunft
und was erwarten sie?" - Teil 2: Der Mieter „Die Mieter- und Unternehmensperspektive"
- Teil 3: Der Asset Manager „Perspektive Asset Management"
- Teil 4: Der Investor „Perspektive Investor"
QUELLEN:
- 1JLL: Human Experience Studie, 2017
- 2Fraunhofer IAO: Office Analytics, Erfolgsfaktoren für die Gestaltung einer typbasierten Arbeitswelt, 2018