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Stu­di­en und Themen­reihe • 2022-04-10

Future As­set Al­lo­ca­ti­on

„Quo­ten für Sach­wer­te sind nicht mehr zeit­ge­mäß“

Zu nied­rig und will­kür­lich ge­wählt – Kars­ten Mül­ler-Ut­hoff, Ex­per­te für Ver­sor­gungs­wer­ke, hält die Quo­ten in der An­la­ge­ver­ord­nung für über­holt. Le­sen Sie, warum Nach­hal­tig­keit wich­tig ist und wel­che Rol­le sie spielt und spie­len soll­te.

Le­se­zeit: 6 Mi­nu­ten
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Future As­set Al­lo­ca­ti­on - In­ter­view Ver­sor­gungs­wer­ke

Die An­la­ge­welt für Ver­sor­gungs­wer­ke hat sich voll­kom­men ver­än­dert: Sie ist kom­ple­xer und viel­fäl­ti­ger ge­wor­den, ex­ter­ne Ex­per­ti­se ist ge­frag­ter denn je. Kars­ten Mül­ler-Ut­hoff kennt das Ka­pi­tal­an­la­ge­ver­hal­ten in­sti­tu­tio­nel­ler In­ves­to­ren seit Jahr­zehn­ten. Er sieht in der neu­en Kom­ple­xi­tät auch gro­ße Chan­cen. Al­ler­dings müss­te auch der Re­gu­la­tor sei­nen Teil dazu bei­tra­gen, da­mit Ver­sor­gungs­wer­ke die­se Viel­falt auch nut­zen kön­nen. Zu­dem geht Mül­ler-Ut­hoff im In­ter­view zur ak­tu­el­len Wealth­cap Stu­die „Future As­set Al­lo­ca­ti­on – Re­si­li­enz in der in­sti­tu­tio­nel­len An­la­ge“ dar­auf ein, was die Ver­sor­gungs­wer­ke von den Pen­si­ons­kas­sen im Kern unter­scheidet.
 


Kars­ten Mül­ler-Ut­hoff ist Di­plom-Kauf­mann, Steu­er­be­ra­ter und Ex­per­te für die in­sti­tu­tio­nel­le Ka­pi­tal­an­la­ge, ge­ra­de auch für Ver­sor­gungs­wer­ke. Er ist selbst­stän­di­ger Be­ra­ter und Mit­glied in Bei- be­zie­hungs­wei­se Auf­sichts­rä­ten ver­schie­de­ner Un­ter­neh­men. Nach ers­ten be­ruf­li­chen Sta­tio­nen in der Ver­mö­gens­ver­wal­tung nam­haf­ter Ver­si­che­run­gen war er bis 2015 Ge­schäfts­füh­rer der Ärz­te­ver­sor­gung Nie­der­sach­sen (AEVN) sowie Spre­cher des Ar­beits­krei­ses Ver­mö­gens­an­la­gen bei der Ar­beits­ge­mein­schaft Be­rufs­stän­di­scher Ver­sor­gungs­ein­rich­tun­gen (ABV).

Herr Mül­ler-Ut­hoff, Sie wa­ren bis 2015 als Ge­schäfts­füh­rer der Ärz­te­ver­sor­gung Nie­der­sach­sen, ei­nes be­rufs­stän­di­schen Ver­sor­gungs­werks, tä­tig. Was hat sich seit­her ge­än­dert? Ist die in­sti­tu­tio­nel­le Ka­pi­tal­an­la­ge schwie­ri­ger oder ein­fa­cher ge­wor­den?

KARSTEN MÜLLER-UTHOFF Schwie­ri­ger oder ein­fa­cher kann man nicht sa­gen. Sie hat sich kom­plett ver­än­dert. Auf der ei­nen Sei­te ist sie we­sent­lich kom­ple­xer ge­wor­den: Staats­an­lei­hen und Pfand­brie­fe rei­chen für eine aus­kömm­li­che Ren­di­te ein­fach nicht mehr aus. Man muss sich we­sent­lich mehr mit An­la­ge­al­ter­na­ti­ven be­fas­sen, auch mit il­li­qui­den Assets. Und stän­dig kom­men neue Pro­duk­te auf den Markt, mit de­nen man sich be­schäf­ti­gen muss. Es ist also mehr Auf­wand.

Auf der an­de­ren Sei­te gibt es aber auch we­sent­lich mehr An­ge­bot in die­sen Be­rei­chen, und es ist bes­ser zu­gäng­lich als frü­her. Im Netz ste­hen viel mehr und ak­tu­el­le­re Informationen zur Ver­fü­gung. Zu­dem gibt es Se­kun­där­märk­te, die im­mer li­qui­der wer­den. Ansprech­partner sind nun statt Ban­ken spe­zia­li­sier­te As­set-Manager und Ka­pi­tal­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten. Es ist viel­fäl­ti­ger ge­wor­den, span­nen­der.

Grö­ße­re in­sti­tu­tio­nel­le In­ves­to­ren kön­nen die da­für nö­ti­gen Ka­pa­zi­tä­ten auch in­tern ab­bil­den. Für klei­ne­re Ver­sor­gungs­wer­ke oder Pen­si­ons­kas­sen ist je­doch der Auf­wand oft­mals zu groß. Dort fehlt es so­wohl an Ka­pa­zi­tä­ten als auch oft­mals an der nö­ti­gen Ex­per­ti­se. In den Aus­schüs­sen sit­zen nun mal eh­ren­amt­li­che Ver­tre­ter der je­wei­li­gen Be­rufs­stän­de, und das sind zu­meist kei­ne Ka­pi­tal­markt­ex­per­ten. Dann führt kaum ein Weg an er­gän­zen­der Be­ra­tung durch Spe­zia­lis­ten vorbei.

Wel­che Rol­le kön­nen oder müs­sen Sach­wer­te wie zum Bei­spiel Immo­bilien oder Private Equity bei der in­sti­tu­tio­nel­len Ka­pi­tal­al­lo­ka­ti­on heut­zu­ta­ge spie­len?

KARSTEN MÜLLER-UTHOFF Nur mit Sach­wer­ten kommt man ge­gen die schlei­chen­de Geld­ent­wer­tung durch nied­ri­ge oder gar ne­ga­ti­ve Ka­pi­tal­markt­zin­sen bei re­la­tiv ho­her In­fla­ti­on an. Immo­bilien, Ak­ti­en, Private Equity, In­fra­struk­tur und an­de­re As­set­klas­sen neh­men da­her suk­zes­si­ve mehr Raum in den Port­fo­li­os ein als frü­her, als haupt­säch­lich in fest­ver­zins­li­che Wert­pa­pie­re in­ves­tiert wur­de. Ein Ende die­ser Ent­wick­lung ist ak­tu­ell nicht ab­seh­bar, die in­fla­ti­ons­be­rei­nig­ten Zin­sen dürf­ten noch für län­ge­re Zeit ne­ga­tiv blei­ben.

In­ves­to­ren bleibt da­her gar kei­ne an­de­re Wahl, als sich auf Sach­wer­te zu kon­zen­trie­ren, selbst wenn auch dort die Prei­se in­zwi­schen stark ge­stie­gen und die Ren­di­ten ent­spre­chend ge­sun­ken sind. Die­se An­la­ge­stra­te­gie wird sich fort­set­zen. Für die Kol­la­te­ral­schä­den der Nied­rig­zins­po­li­tik zahlt die Ge­sell­schaft, zum Bei­spiel in­dem das Woh­nen im­mer teu­rer wird und die Al­ters­vor­sor­ge im­mer schwie­ri­ger. Mit der Zeit än­dert sich aber auch die Sicht auf man­che For­men der Ka­pi­tal­an­la­ge: Private Equity gilt heut­zu­ta­ge – an­ders als frü­her – als eta­blier­te As­set­klas­se.

Wo se­hen Sie ak­tu­ell die größ­ten Heraus­forde­rungen bei der in­sti­tu­tio­nel­len Ka­pi­tal­an­la­ge?

KARSTEN MÜLLER-UTHOFF Die der­zeit wich­tigs­te Her­aus­for­de­rung ist die Ren­di­te­fra­ge: Eine aus­kömm­li­che, ri­si­ko­ad­äqua­te Ren­di­te trotz nied­ri­ger Ka­pi­tal­markt­zin­sen ist die wich­tigs­te Vor­aus­set­zung für Al­ters­vor­sor­ge und Ver­mö­gens­auf­bau über­haupt. Hin­zu kommt jetzt das The­ma In­fla­ti­on und die noch wei­ter ge­sun­ke­nen ne­ga­ti­ven Re­al­zin­sen.

Ein Dau­er­the­ma ist na­tür­lich die Re­gu­lie­rung. Wäh­rend für Ver­si­che­run­gen Sol­ven­cy II ein­ge­führt wur­de, un­ter­lie­gen Ver­sor­gungs­wer­ke und Pen­si­ons­kas­sen noch im­mer der An­la­ge­ver­ord­nung, die seit Jahr­zehn­ten kaum an­ge­passt wur­de und ei­ner Ge­ne­ral­über­ho­lung be­darf. Dar­in ist von As­set­klas­sen die Rede, die der­zeit kaum noch den Weg ins Port­folio fin­den, wäh­rend für die wich­ti­gen Sach­wer­te die Höchst­quo­ten zu nied­rig sind und letzt­lich alle Be­gren­zun­gen will­kür­lich ge­setzt wur­den. Das ist nicht mehr zeit­ge­mäß. Das The­ma Nach­hal­tig­keit und ESG er­for­dert eben­falls im­mer mehr Auf­merk­sam­keit, eben­so wie In­ves­ti­tio­nen in erneuer­bare En­er­gie­an­la­gen.

Wie schlägt sich die­ses The­ma – also Nach­hal­tig­keit und ver­ant­wor­tungs­vol­les Investieren – in den An­la­ge­stra­te­gien nie­der, be­son­ders bei Ver­sor­gungs­wer­ken?

KARSTEN MÜLLER-UTHOFF Das ist rich­ti­ger­wei­se – ins­be­son­de­re bei Neu­an­la­gen – zu ei­nem we­sent­li­chen In­ves­ti­ti­ons­kri­te­ri­um ge­wor­den. Nach­hal­tig­keit ist kein Ne­ben­aspekt mehr, son­dern ein do­mi­nan­tes Ziel. Je mehr jün­ge­re Ge­ne­ra­tio­nen in den Gre­mi­en von Ver­sor­gungs­wer­ken und an­de­ren In­ves­to­ren­grup­pen nach­rü­cken, des­to ent­schei­den­der wird es. Die Ent­schei­dungs­trä­ger dort er­war­ten Ant­wor­ten auf Fragen nach ei­ner nach­hal­ti­gen, ethisch und öko­lo­gisch ver­ant­wor­tungs­vol­len An­la­ge­stra­te­gie. Und sie er­war­ten lau­fen­des Mo­ni­to­ring. Wer kei­ne gu­ten Ar­gu­men­te hat, etwa zum Kli­ma­wan­del, ge­rät in Er­klä­rungs­not. Wie nach­hal­ti­ges Investieren im Ein­zel­nen aus­zu­se­hen hat und ob zum Bei­spiel die Kern­ener­gie da­zu­ge­hört, dar­über gibt es noch kei­nen Kon­sens und auch kei­ne ge­setz­li­chen Vor­ga­ben. Je­der In­ves­tor setzt an­de­re Ak­zen­te. Aber: Mit Green­wa­shing wird man ver­mut­lich nicht mehr durch­kom­men.

Was macht Ihres Er­ach­tens eine re­si­li­en­te, also wi­der­stands­fä­hi­ge An­la­ge­stra­te­gie aus?

KARSTEN MÜLLER-UTHOFF Wi­der­stands­fä­hig be­deu­tet in ers­ter Li­nie we­ni­ger Risiken. Des­halb ist Nach­hal­tig­keit ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um, da an­dern­falls Risiken dro­hen, die gan­ze Ge­sell­schaf­ten in tie­fe Kri­sen stür­zen kön­nen, zum Bei­spiel auf­grund von Re­pu­ta­ti­ons­ri­si­ken. Ein wei­te­rer Punkt ist die Vo­la­ti­li­tät, die vie­le Anleger mög­lichst be­gren­zen wol­len. Gleich­zei­tig soll na­tür­lich auch eine aus­kömm­li­che Ren­di­te er­wirt­schaf­tet wer­den. Wie die In­ves­to­ren da­mit im De­tail um­ge­hen, hängt von ih­rem je­wei­li­gen Ri­si­ko­pro­fil ab. Ver­sor­gungs­wer­ke sind lang­fris­tig ori­en­tier­te In­ves­to­ren. Sie müs­sen ab­wä­gen, was zu ih­rem Ver­sor­gungs­auf­trag und zu ihrer Re­pu­ta­ti­on passt. Er­gän­zend ist eine Ri­si­ko­stra­te­gie fest­zu­le­gen, aus der her­vor­geht, wel­che Risiken kom­plett ver­mie­den oder zu­min­dest be­grenzt wer­den sol­len. Auch op­por­tu­nis­ti­sche Stra­te­gien mit kurz- und mit­tel­fris­ti­gen An­la­gen kön­nen Lang­frist­stra­te­gien er­gän­zen, um Markt­chan­cen oder li­qui­de Se­kun­där­märk­te aus­zu­nut­zen.

Die ge­wähl­ten Ri­si­ko­stra­te­gien soll­ten zu­dem in der Lage sein, auf neue Risiken oder ver­än­der­te Ri­si­ko­kon­stel­la­tio­nen an­ge­mes­sen und fle­xi­bel zu re­agie­ren. Dazu ge­hö­ren ak­tu­ell zum Bei­spiel die seit ei­ni­ger Zeit zu be­ob­ach­ten­de In­fla­ti­on und die da­mit ver­bun­de­nen Zins­er­hö­hungs­ri­si­ken sowie jüngst auf­ge­tre­te­ne geo­po­li­ti­sche Risiken und da­mit ein­her­ge­hend die Ver­än­de­rung von Wa­ren­strö­men und Dienst­leis­tun­gen.

Unsere ak­tu­el­le Wealth­cap Stu­die „Future As­set Al­lo­ca­ti­on – Re­si­li­enz in der in­sti­tu­tio­nel­len An­la­ge“ hat ge­zeigt, dass Ver­sor­gungs­wer­ke ver­gleichs­wei­se weit fort­ge­schrit­ten sind bei der An­pas­sung ihrer As­set-Al­lo­ca­ti­on. Ha­ben Sie da­für eine Er­klä­rung?

KARSTEN MÜLLER-UTHOFF Ein Haupt­grund dürf­te in der Re­gu­la­to­rik lie­gen: Pen­si­ons­kas­sen und Ver­sor­gungs­wer­ke un­ter­lie­gen der be­reits kri­ti­sier­ten An­la­ge­ver­ord­nung mit ihren ei­gent­lich star­ren Höchst­an­la­ge­quo­ten. In der Auf­sichts­pra­xis je­doch gibt es Un­ter­schie­de: Pen­si­ons­kas­sen wer­den von der Bun­des­an­stalt für Fi­nanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht (BaFin) nach bun­des­weit ein­heit­li­chen Kri­te­ri­en be­auf­sich­tigt, die streng ein­zu­hal­ten sind. Bei den Ver­sor­gungs­wer­ken hin­ge­gen ob­liegt die Auf­sicht den Bun­des­län­dern, und hier­bei ist die Hand­ha­be von Bun­des­land zu Bun­des­land deut­lich un­ter­schied­lich. Da­bei kön­nen auch in­di­vi­du­el­le Ver­hält­nis­se bei Li­mit­über­schrei­tun­gen wie zum Bei­spiel durch star­kes Bi­lanz­wachs­tum be­rück­sich­tigt wer­den.

Man­che Län­der fol­gen in der Auf­sichts­pra­xis ein­fach ei­nem Vor­rei­ter, und das ist häu­fig Nord­rhein-West­fa­len. Er­freu­li­cher­wei­se hat sich NRW et­was fle­xi­bler ge­zeigt in der Aus­le­gung der An­la­ge­ver­ord­nung, zum Bei­spiel durch die Ein­füh­rung von Öff­nungs­klau­seln oder ei­ner In­fra­struk­tur­quo­te. Ver­sor­gungs­wer­ken kommt also die et­was grö­ße­re Fle­xi­bi­li­tät durch die Län­der­auf­sicht zu­gu­te. Gleich­wohl wird dar­auf ge­ach­tet, dass sich kein Ge­fäl­le in der Auf­sichts­pra­xis er­gibt.

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