ESG Immo­bilien Private Equity Zielfonds­investments
Stu­di­en und Themen­reihe • 2021-10-14

Future As­set Al­lo­ca­ti­on

„Der Trend zu Nach­hal­tig­keit wird noch do­mi­nie­ren­der wer­den“

Müs­sen Stif­tun­gen auf Ewig­keit aus­ge­rich­tet sein? Wie be­ein­flusst die Sat­zung die An­la­ge­po­li­tik? Und wie stel­len sich Stif­tun­gen dem ak­tu­el­len Markt­um­feld? Dazu Mi­cha­el Hoff­mei­er, Ge­schäfts­füh­rer der Thü­rin­ger Stif­tung Hand­in­Hand

Le­se­zeit: 6 Mi­nu­ten
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Future As­set Al­lo­ca­ti­on – In­ter­view Thü­rin­ger Stif­tung Hand­in­Hand

Ver­si­che­run­gen schei­nen an­de­ren In­ves­to­ren­grup­pen hin­ter­her­zu­hin­ken, wenn es dar­um geht, die Port­fo­lio­al­lo­ka­ti­on an die Zins­rea­li­tät an­zu­pas­sen. Dr. Tho­mas Mann, Ge­schäfts­füh­rer der Am­pega As­set Ma­nage­ment GmbH sowie der Am­pega In­vest­ment GmbH und da­mit ver­ant­wort­lich für die Ka­pi­tal­an­la­ge in­ner­halb der Ta­lanx-Ver­si­che­rungs­grup­pe, sieht die Ur­sa­che nicht al­lein in der Re­gu­lie­rung. In unserer In­ter­view­rei­he zur ak­tu­el­len Wealth­cap Stu­die „Future As­set Al­lo­ca­ti­on – Re­si­li­enz in der in­sti­tu­tio­nel­len An­la­ge“ er­läu­tert er wei­te­re Ur­sa­chen.

Herr Hoff­mei­er, die größ­ten Heraus­forde­rungen für in­sti­tu­tio­nel­le In­ves­to­ren heut­zu­ta­ge hei­ßen Re­gu­la­to­rik, Nied­rig­zin­sen und Geo­po­li­tik – in die­ser Rei­hen­fol­ge. Das hat die jüngs­te Um­fra­ge von Wealth­cap er­ge­ben. Tei­len Sie die­se Ein­schät­zung?

MICHAEL HOFFMEIER Kli­ma­wan­del und Ar­ten­ster­ben sind für mich we­sent­li­che, wenn nicht so­gar die größ­ten Heraus­forde­rungen, de­nen die gan­ze Mensch­heit ge­gen­über­steht, und da­mit auch für alle, die investieren. Die Über­schwem­mun­gen im Wes­ten Deutsch­lands mit so vie­len To­des­op­fern soll­ten ein Weck­ruf für alle sein: Auch hier im pri­vi­le­gier­ten Deutsch­land sind wir be­trof­fen. Ich fürch­te, dass die­se Na­tur­ka­ta­stro­phe nur ein Vor­ge­schmack auf das ist, was noch kom­men kann, welt­weit. Und das birgt na­tür­lich auch enor­me geo­po­li­ti­sche Risiken, die sich bis­her nur we­ni­ge so recht aus­ma­len wol­len. Bei­spiels­wei­se wer­den of­fe­ne mi­li­tä­ri­sche Kon­flik­te um den Zu­gang zu Trink­was­ser be­fürch­tet. Wenn es ums Über­le­ben geht, er­schei­nen The­men wie Zin­sen oder Re­gu­lie­rung eher nach­ran­gig.

In­wie­fern be­trifft das Ihre An­la­ge­po­li­tik?

MICHAEL HOFF­MEI­ER­Wir investieren bewusst nicht in Ak­ti­vi­tä­ten, von de­nen wir mei­nen, dass sie für Ge­sell­schaft oder Um­welt nach­tei­lig sind. Wir su­chen uns sol­che aus, die wir als ethisch ver­tret­bar er­ach­ten. Das hat na­tür­lich auch mit unseren Stif­tungs­zwe­cken zu tun. Wir wol­len Kin­dern hel­fen – ohne Er­trä­ge aus Ka­pi­tal­an­la­gen, die dazu bei­tra­gen, dass ir­gend­wo Kin­der dar­un­ter lei­den oder die Welt, in die sie hin­ein­wach­sen, le­bens­feind­li­cher wird. Da­mit fal­len be­stimm­te Geld­an­la­gen aus. Des­halb su­chen wir pas­sen­de Investments, stets ver­bun­den mit der re­le­van­ten Fra­ge, was ESG für unsere An­la­ge­ent­schei­dung ge­nau be­deu­tet und wel­che Investments als ESG-kon­form gel­ten.

Und wo se­hen Sie be­son­de­re Chan­cen im ak­tu­el­len Um­feld für eine lang­fris­tig zu­kunfts­fä­hi­ge Ka­pi­tal­an­la­ge? Ihre Kol­le­gen ha­ben in der Um­fra­ge mehr­heit­lich Di­gi­ta­li­sie­rung / künst­li­che In­tel­li­genz, Nachhaltigkeit/ESG und De­mo­gra­fie be­zie­hungs­wei­se Ge­sund­heit ge­nannt.

MICHAEL HOFF­MEIE­REs gibt ei­nen Trend zu Nach­hal­tig­keit in al­len Le­bens­be­rei­chen, und das wird mei­ner Mei­nung nach noch wich­ti­ger wer­den. Und das bie­tet mit­tel- und lang­fris­tig gro­ße Chan­cen für Ge­schäfts­mo­del­le und An­la­ge­pro­duk­te. Al­ler­dings ist es schwer zu be­ur­tei­len, wie trag­fä­hig etwa ein be­stimm­ter tech­no­lo­gi­scher Trend ist, ob die Be­wer­tun­gen an­ge­mes­sen sind oder ob es nur ei­nen kurz­le­bi­gen Hype gibt. Un­ter­neh­men, die zu An­pas­sun­gen und ech­ten In­no­va­tio­nen be­reit sind, ha­ben häu­fig gute Kar­ten.

Wie wirkt sich die ESG-Ori­en­tie­rung Ihrer An­la­ge­po­li­tik auf die Per­for­mance aus? Ver­zich­ten Sie da­mit auf Ren­di­te, oder eher im Ge­gen­teil?

MICHAEL HOFF­MEI­ER­Das lässt sich nicht ge­nau be­zif­fern. Ich er­war­te aber, dass die Ren­di­te lang­fris­tig zu­min­dest nicht schlech­ter ist als bei ei­nem Port­folio ohne sol­che Kri­te­ri­en – aber mit ge­rin­ge­rer Vo­la­ti­li­tät. Ich glau­be, dass man mit ei­ner Fir­ma oder ei­ner Ka­pi­tal­an­la­ge, die ernst­haft Nach­hal­tig­keit an­strebt, we­ni­ger ne­ga­ti­ve Über­ra­schun­gen er­lebt. Die Denk­wei­se ist eine an­de­re als bei rein auf (kurz­fris­ti­ge) Ren­di­te aus­rich­te­ten An­la­gen – eben eine nach­hal­ti­ge­re.

Wie hat sich die An­la­ge­po­li­tik Ihrer Stif­tung in den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren ver­än­dert?

MICHAEL HOFF­MEI­ER­Ganz ex­trem! Vor 20 Jah­ren wur­den nur Staats­an­lei­hen ge­kauft, mit ent­spre­chen­den Vor­ga­ben für Lauf­zeit, Ra­ting und Streu­ung. Heut­zu­ta­ge sind wir viel brei­ter auf­ge­stellt. Im Ver­gleich zu frü­her ist un­ser Port­folio ein bun­ter Strauß aus Staats­an­lei­hen, Un­ter­neh­mens­bonds, Ak­ti­en, Im­mo­bi­li­en­be­tei­li­gun­gen und Ver­si­che­run­gen. Und er kann noch bun­ter wer­den.

Was könn­te denn noch da­zu­kom­men, ge­ra­de im Hin­blick auf die Ren­di­te? 23 % der von uns Be­frag­ten er­war­ten, dass sie ihre Ren­di­te­zie­le mit ihrer be­stehen­den Al­lo­ka­ti­on nicht schaf­fen wer­den.

MICHAEL HOFF­MEI­ER­Zu­ge­ge­ben, in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ist es im­mer schwe­rer und un­plan­ba­rer ge­wor­den, Ren­di­te­zie­le zu er­rei­chen, ins­be­son­de­re dann, wenn nur auf An­lei­hen und Fest­geld ge­setzt wur­de. Es kommt aber auf eine gute Streu­ung an. Zu­letzt ha­ben wir Im­mo­bi­li­en­fonds hin­zu­ge­nom­men. Wir er­war­ten da­durch eine Ver­bes­se­rung der Ren­di­te und der Ri­si­ko­streu­ung. Aber auch dort schau­en wir ganz ge­nau, ob die Fonds und die Ziel­in­vest­ments zu uns pas­sen, ob sie unsere ESG-An­sprü­che er­fül­len. Au­ßer­dem fin­den wir Schuld­schein­dar­le­hen in­ter­es­sant. Und wir be­schäf­ti­gen uns – wie et­li­che an­de­re Stif­tun­gen auch – mit Private Equity.

Sind Stif­tun­gen so ri­si­ko­avers wie ihr Image?

MICHAEL HOFF­MEI­ER­Stif­tun­gen sind eben ganz un­ter­schied­lich, auch in ihrer An­la­ge­po­li­tik. Man ver­mu­tet oft eine kon­ser­va­ti­ve At­ti­tü­de, dass sie bei­spiels­wei­se mit Ak­ti­en nichts zu tun ha­ben wol­len. Aber es gibt auch Stif­tun­gen, de­ren Ka­pi­tal schon bei Grün­dung zu 100 % aus Ak­ti­en be­stand. Es gibt Ver­ant­wort­li­che in man­chen Stif­tun­gen, die stur auf ei­nem fes­ten Ku­pon be­stehen, auch wenn die­ser ne­ga­tiv ist. Und dann gibt es sol­che, die sich in Private Equity wa­gen.

Der­zeit wird auch dis­ku­tiert, das Stif­tungs­recht zu än­dern. Vor dem Hin­ter­grund, dass vie­le mit ihrer be­stehen­den Struk­tur im Nied­rig­zins­um­feld nicht mehr zu­recht­kom­men, sol­len sie die Mög­lich­keit be­kom­men, ihren Stif­tungs­zweck zu än­dern, bis hin zu ei­ner so­ge­nann­ten Ver­brauchs­stif­tung, die ihr Ka­pi­tal mit der Zeit auf­zeh­ren kann. Was hal­ten Sie von sol­chen Über­le­gun­gen?

MICHAEL HOFF­MEIE­RUns be­trifft das Gott sei Dank nicht in dem Um­fang wie Stif­tun­gen, die nur ihr Ka­pi­tal ha­ben. Das Ka­pi­tal der Thü­rin­ger Stif­tung Hand­in­Hand reich­te al­lein nicht aus, um die Auf­ga­ben zu er­fül­len. Wir be­kom­men zu­sätz­lich staat­li­che Mit­tel, ins­be­son­de­re von der Bun­des­stif­tung Mut­ter und Kind und vom Land Thü­rin­gen. Und in unserer Sat­zung gibt es be­reits ei­nen Pas­sus, der es uns er­lau­ben wür­de, auch das Stif­tungs­ka­pi­tal (zu­min­dest zeit­wei­se) zu min­dern, um die Auf­ga­ben­er­fül­lung si­cher­zu­stel­len, die mei­nes Er­ach­tens Prio­ri­tät hat.
Da­her be­grü­ße ich die Dis­kus­sio­nen dazu. Stif­tun­gen brau­chen mehr Fle­xi­bi­li­tät. Der Da­seins­zweck ei­ner Stif­tung ist ihr Zweck und nicht, dass sie ewig be­steht. Es er­gibt doch kei­nen Sinn, auf dem Ka­pi­tal zu sit­zen, wenn die Stif­tung nicht mehr ar­bei­ten kann. Und wenn es zur Zweck­erfül­lung not­wen­dig ist, das Ka­pi­tal auf­zu­zeh­ren, dann soll­te es die Mög­lich­keit dazu auch ge­ben.

Hin­wei­se:
ESG=Environment, So­cial, Go­ver­nan­ce (zu Deutsch: Um­welt, So­zia­les, Un­ter­neh­mens­füh­rung)

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