„Alternative Investments“ ist ein weit gefasster Begriff. Er reicht von Real Assets wie Immobilien- oder Infrastrukturanlagen über Private Equity und Private Debt bis hin zu komplexen Hedgefonds-Strategien. Frank Dornseifer ist Geschäftsführer des Bundesverbands Alternativer Investments (BAI) in Bonn. Im Interview vom 10. Juni 2018 erklärt er, worauf es ankommt und wo die Reise hingeht.
Herr Dornseifer, wie genau definieren Sie als Geschäftsführer des Bundesverbands Alternativer Investments (BAI) den Begriff „Alternative Investments“?
Frank Dornseifer Es gibt keine allgemeingültige oder abschließende Definition des Begriffes „Alternative Investments“; die Anlageklassen beziehungsweise Anlagestrategien sind zum einen sehr heterogen, zum anderen entwickeln sie sich stetig weiter. Unsere definitorischen Anknüpfungspunkte sind dabei:
- eine geringe beziehungsweise keine Korrelation zu den klassischen Aktien- oder Anleihemärkten, insbesondere im illiquiden Private-Markets-Bereich,
- ein asymmetrisches Rendite-Risiko-Profil,
- eine komplexe Performance- und Risikomessung und/oder
- der Einsatz von modernen Anlagetechniken und Instrumenten (zum Beispiel der Einsatz von Leverage, Derivaten, Leerverkäufen).
Die Bandbreite erstreckt sich daher von liquiden Strategien wie Hedgefonds, Absolut Return oder Faktor-Investing auf der einen Seite bis zu illiquiden Strategien wie Private Equity, Private Debt, Infrastruktur und weiteren Real Assets auf der anderen Seite. Hinzu kommen dann noch ein paar Sonderthemen wie z.B. die sich dynamisch neu entwickelnde Anlageklasse der Crypto-Assets. Gelegentlich werden auch Wein, Kunst oder Oldtimer den Alternative Investments zugerechnet. Im institutionellen Geschäft haben diese aber keine Relevanz.
Es gibt keine allgemeingültige oder abschließende Definition des Begriffes „Alternative Investments“; die Anlageklassen beziehungsweise Anlagestrategien sind zum einen sehr heterogen, zum anderen entwickeln sie sich stetig weiter.
Liquide Strategien | Hedgefonds, Absolut Return, Faktor-Investing |
Illiquide Strategien | Private Equity, Private Debt, Infrastruktur, Real Assets |
Sonderthemen | Crypto-Assets, Kunst, Wein, Oldtimer etc. |
Welche Trends und Entwicklungen haben Sie in den letzten Jahren bei alternativen Investments gesehen? Wo liegen die größten Herausforderungen?
Frank Dornseifer Ein fundamentaler Trend ist natürlich der Boom von Alternative Investments insgesamt, der sich nun seit Jahren in Form von stetig steigenden Allokationen im Portfolio institutioneller Investoren zeigt. Erst hat die Finanzkrise die Robustheit und die geringe Korrelation bestimmter alternativer Strategien mit liquideren Märkten bestätigt. Dann ist das anhaltend niedrige Zinsumfeld zu nennen, in dem sich alternative Anlagestrategien mit ihrem Rendite-Risiko-Verhältnis besser behaupten können. Zu den Gewinnern der vergangenen Jahre gehören insbesondere die Anlageklassen Private Equity, Infrastruktur und mittlerweile auch Private Debt.
Damit gehen regulatorische Herausforderungen einher. Meilensteine, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind, sind auf europäischer Ebene vor allem die AIFM-Richtlinie, MiFID II sowie Solvency II und auf nationaler Ebene zwei Reformen des Investmentsteuerrechts sowie die Änderung der Anlageverordnung nebst Anlage-Rundschreiben. Die gesamte Wertschöpfungskette und natürlich die Investoren selbst standen und stehen vor einem beträchtlichen Implementierungs- und Strukturierungsaufwand. Alle haben das Gefühl: Die Branche kommt nicht zur Ruhe!
Die gesamte Wertschöpfungskette und die Investoren selbst stehen vor einem beträchtlichen Implementierungs- und Strukturierungsaufwand. Alle haben das Gefühl: Die Branche kommt nicht zur Ruhe!

Und welche Trends sehen Sie in der Zukunft?
Frank Dornseifer Der Trend, dass alternative Investments ein fester Bestandteil zur Komplettierung und Stabilisierung des Portfolios sind, wird sich unserer Meinung nach zukünftig weiter verfestigen. Denn auch bei zukünftigen Zinssteigerungen wird diese Anlageklasse ihre Vorteile, wie ein gutes Rendite-Risiko-Profil gepaart mit einer guten Diversifikationsmöglichkeit, weiter ausspielen können. Der insgesamt immer höhere Anteil alternativer Investments im Portfolio von Versicherungen und Pensionskassen ist für die zukünftige Entwicklung des Wohlstandes in Deutschland nicht unerheblich, denn nur so können die Renditezusagen dieser Investorengruppen für die Altersvorsorge der Bevölkerung umgesetzt werden.
Wealthcap legt den Fokus auf Wertsteigerungsstrategien, die bei Private Equity Buyouts oder Value-Add-Immobilien zu finden sind. Sehen auch Sie hier einen Trend? Sind Wertsteigerungsstrategien Ihres Erachtens besonders beliebt?
Frank Dornseifer Ich würde bei Wertsteigerungsstrategien nicht von einem neuen Trend sprechen. Wertsteigerungen sind ja vielen Strategien geradezu immanent. Bestes Beispiel ist hier Private Equity und dieses Segment boomt bekanntlich seit Jahrzehnten. Gleiches gilt für Value-Add-Strategien im Bereich Infrastruktur oder Real Estate. Diesen Value-Ansatz hat es schon immer gegeben und ihn wird es natürlich auch weiterhin geben.
Wealthcap legt den Fokus auf Wertsteigerungsstrategien, die bei Private Equity Buyouts oder Value-Add-Immobilien zu finden sind. Wie schätzen Sie die Zukunftsentwicklungen hier ein?
Frank Dornseifer Die zukünftige Entwicklung von Wertsteigerungen ist immer individuell vom jeweiligen Investment abhängig – gerade in der Private-Equity-Branche, aber inzwischen auch bei Immobilien. Konnte man vor ein paar Jahren noch mit dem Kauf von irgendeiner Immobilie in den großen Ballungszentren eine Wertsteigerung erzielen, sind die Preise inzwischen so hoch, dass man nur noch selektiv und durch sorgfältige Analyse einen Ertrag über die Wertsteigerung der Immobilie erzielen kann. Dies war im Private-Equity-Bereich jedoch immer schon der Fall. Nicht jedes Start-up, nicht jede Restrukturierung und nicht jeder Management-Buyout ist ein Selbstläufer! Auch hier haben wir bei einigen namenhaften Unternehmen tatsächlich Insolvenzen sehen müssen – von einer Wertsteigerung konnte keine Rede sein. Allerdings ist die Branche insgesamt sehr produktiv, sodass durch eine breite Streuung und eine gute Analyse auch zukünftig Wertsteigerungen erzielt werden können – auch unabhängig von der eigentlichen ökonomischen Gesamtentwicklung.
Konnte man früher mit dem Kauf von einer beliebigen Immobilie eine Wertsteigerung erzielen, kann man heute nur noch selektiv vorgehen und durch sorgfältige Analyse einen Ertrag über die Wertsteigerung erzielen.
Einige alternative Anlageklassen – darunter einige Immobilien- oder Private-Equity-Segmente – erreichen inzwischen sehr hohe Preisniveaus. Sehen Sie dies als Gefahr?
Frank Dornseifer Die hohen Einstiegspreise beziehungsweise Bewertungen bereiten in der Tat vielen Fondsmanagern und Investoren gewisse Sorgen. Mitursächlich für die Preise ist leider der Geldsegen der Notenbanken. Denn nicht im Konsumbereich steigt die gemessene Inflation. Stattdessen steigen die Preise für nicht im Warenkorb vorhandene oder nur sehr niedrig gewichtete Aktiva teilweise stark an, wie zum Beispiel im Bereich der Immobilien- oder Unternehmenswerte. Mieten und Aktienkurse sind dabei nur ein kleiner sichtbarer Teil der Preissteigerungen.
Im Bereich der alternativen Investments jedoch haben wir es mit nicht gelisteten Unternehmen oder gewerblichen Immobilien ohne Mietpreisbindung zu tun. Diese Preissteigerungen sind offiziell nicht dokumentiert. Daher ist eine detaillierte Analyse wichtig. Der hohe Bestand an nicht investiertem Kapital zeigt, dass nicht jeder Preis bezahlt wird. Außerdem kann bei stagnierenden Preisen eine Investition sinnvoll sein, wenn die Rendite während der Laufzeit attraktiv ist – wie es bei den meisten alternativen Investments der Fall ist. Denn oft suchen Investoren stabile, zuverlässige Cashflows über die gesamte Laufzeit mit einem attraktiven Rendite-Risiko-Profil. Das können derzeit selbst hoch bewertete Unternehmen oder teure Immobilien leisten. Daher sind nicht zwingend hohe Preisniveaus die Gefahr, sondern eine Deflation, für die es aber bisher keine Anzeichen gibt.
Auch bei stagnierenden Preisen kann eine Investition sinnvoll sein, wenn die Rendite während der Laufzeit attraktiv ist, wie es bei den meisten alternativen Investments der Fall ist.
Was würde eine nachhaltige Zinswende in Europa Ihres Erachtens mit sich bringen?
Frank Dornseifer Eine nachhaltige Zinswende erachten viele Experten auf kurze Sicht als eher unwahrscheinlich. Zunächst muss das Anleihen-Ankaufprogramm der EZB wie beschlossen Ende des Jahres zum Erliegen kommen. Darauf dürfte zunächst eine Phase des Abwartens folgen, in dem die negativen Strafzinsen sukzessive auf null zurückgeführt werden. Sollte hier die gemessene Inflation nicht über zwei Prozent steigen, werden wir zunächst keinen Zinsschritt sehen – unabhängig von eventuell vorher gemachten Andeutungen seitens der Notenbank. Zur Erinnerung: Die US-Notenbank Fed hat zwischen dem Ende ihres Ankaufsprogrammes und dem ersten Zinsschritt ganze drei Jahre vergehen lassen.
Auf der BAI Alternative Investor Conference AIC hat ein namhafter Finanzwissenschaftler dargelegt, dass die hohen Zinsen früherer Jahre eher die Ausnahme als die Regel waren. Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass wir nicht immer auf schnell und signifikant steigende Zinsen schielen sollten. Und schließlich gibt es kurz- und mittelfristig auch noch ein paar politische Unwägbarkeiten zu umschiffen, sowohl transatlantisch als auch innerhalb der EU. Ich sehe da keinen wirklichen Spielraum für schnelle und voreilige Zinsschritte.