Deutschland ist ein Stifterland. Fast 23.000 Stiftungen gibt es hierzulande. Jahr für Jahr kommt eine mittlere dreistellige Zahl von Neugründungen hinzu. Sie alle stehen vor einer großen Herausforderung: keine Zinsen. Sollen weiterhin der Kapitalerhalt gesichert und ausreichende Erträge zur Erfüllung der Stiftungszwecke erwirtschaftet werden, muss die Anlagestrategie angepasst werden. Aber wie?
Über alternative Investments mussten die Vermögensverwalter der Stiftungen lange gar nicht intensiv nachdenken. Direktinvestments oder indirekte Vehikel wie Fondsstrukturen spielten als Portfoliobeimischung in sehr geringer Dosis allenfalls eine Nebenrolle. Denn die Zinsen und Renditen von Bankeinlagen und liquiden Assets reichten komfortabel aus, um den inflationsbereinigten Kapitalerhalt sicherzustellen und ausreichende Erträge zur Erfüllung der Stiftungszwecke zu erwirtschaften. Ihren Fokus konnten die Stiftungen getrost auf diese Kernaufgabe richten. „Es war für Stiftungen schlichtweg nicht notwendig, in alternative Anlageformen zu investieren, die nur geringfügig höhere Renditen erzielten – bei wesentlich höherem Aufwand“, erinnert sich Nico Hübner, Direktor Vertrieb Professional Clients bei Wealthcap. Dieses Umfeld hat sich fundamental verändert, und je länger die Niedrigzinsphase andauert, desto drängender wird die Frage nach Anlagealternativen für Stiftungen.
Große Stiftungen haben bereits mit dem Umschichten begonnen
Das Spektrum der Stiftungen in Deutschland ist sehr breit und stark fragmentiert. Von den beinahe 23.000 deutschen Stiftungen weisen nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Stiftungen zwei Drittel ein Stiftungskapital von weniger als einer Million Euro auf. Dagegen haben nicht einmal 30 Stiftungen privaten Rechts ein Stiftungskapital im dreistelligen Millionen- oder gar im Milliardenbereich zur Verfügung. Die größeren Stiftungen verfügen zumeist über eine sehr professionelle Vermögensverwaltung, zum Teil ähnlich professionell wie das Asset Management institutioneller Investoren. Viele der großen Stiftungen haben längst begonnen, mit Portfolioumschichtungen auf das nachhaltig veränderte Zinsumfeld zu reagieren.
Als Beispiel kann die Gemeinnützige Hertie-Stiftung dienen, die über ein Gesamtvermögen von rund 900 Millionen Euro verfügt und damit zu den größten Stiftungen in Deutschland gehört. Im Jahr 2002 steckten noch 67 Prozent des Stiftungskapitals in Anleihen und Geldmarktanlagen, Aktien kamen auf einen Anteil von 25 Prozent. Alternativen beschränkten sich auf einen Portfolioanteil von acht Prozent, der Löwenanteil davon Immobilien. Im Jahr 2018 stellt sich die Portfolioallokation wesentlich durchmischter dar: Kaum verzinste Renten- und Geldmarktpapiere stehen nur noch für 22 Prozent, Aktien für 29 Prozent. Damit entfällt beinahe die Hälfte auf alternative Anlagen, von denen Immobilien wiederum etwa die Hälfte ausmachen.
Anlageklasse Immobilien hat im Vergleich zu 2002 deutlich an Bedeutung gewonnen
Quelle: Auswertung Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Jahresberichte und Tätigkeitsberichte 2002–2017
„Bei vielen kleineren Stiftungen beobachten wir jedoch, dass sie erst sehr spät angefangen haben, sich dieser Herausforderung zu stellen und über Anlagealternativen nachzudenken“, stellt Nico Hübner fest. Oftmals sei noch sehr lange auf eine baldige Zinswende gehofft worden – vergeblich. Wenn nunmehr auch die letzten älteren, noch relativ hochverzinsten Anlagen auslaufen, sind zur Wiederanlage keine festverzinslichen Anlagen mit auch nur annähernd vergleichbaren Kupons mehr zu finden. Die Niedrigzinsen breiten sich so langsam, aber unaufhaltsam im Portfolio aus.
Renditen unterhalb der Inflationsrate reichen nicht zum realen Substanzerhalt
„Selbst sehr konservative Stiftungen sind deshalb zu der Erkenntnis gelangt, dass mit einem Weiter-so nicht einmal mehr der Substanzerhalt sichergestellt werden kann. Von adäquaten Zweckausgaben ganz zu schweigen“, erklärt Nico Hübner. Gegenwärtig erwarten nach einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Stiftungen 39 Prozent der Stiftungen eine Rendite unterhalb der Inflationsrate – bei den kleineren Stiftungen sogar 45 Prozent. „Vor diesem Hintergrund ist das steigende Interesse an alternativen Assets wie Immobilien kein Luxus, sondern das Gebot der Stunde“, so Hübner.
Mit einem Weiter-so können Stiftungen nicht einmal mehr den Substanzerhalt sicherstellen. Alternative Assets wie Immobilien sind deshalb kein Luxus, sondern alternativlos.

Immobilien-Investments sind – wie jede Investition – mit Chancen und Risiken behaftet, die sehr stark je nach Standort, Nutzungsart und individuellem Objekt variieren. Der Immobilienmarkt ist alles andere als ein homogenes Konstrukt, weshalb eine sorgfältige Objektauswahl unerlässlich ist. Hinzu kommt, dass die Renditen durch die Mieteinnahmen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken sind, da die Kaufpreise stärker gestiegen sind als die Mieten. Inzwischen scheint sich jedoch eine Bodenbildung abzuzeichnen.
Die Renditekompression infolge der Niedrigzinsphase hat an den Immobilienmärkten ihre eindeutigen Spuren hinterlassen. Dennoch liegen die Cashflow-Renditen selbst bei Core-Büroimmobilien in den Top-7-Städten mit knapp über drei Prozent deutlich oberhalb der Inflationsrate, sind also real positiv. Das haben sie den Renditen etwa für deutsche Staatsanleihen voraus. Ein früherer Einstieg in die immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungskette ermöglicht auch durchaus höhere Renditen. Diverse Studien belegen: Eine Beimischung von Immobilien und anderen Sachwerten erhöht die durchschnittliche Rendite und verringert die Volatilität des Portfolios.
Vielen Stiftungen ist es zudem wichtig, möglichst greifbare und nachvollziehbare Investments zu tätigen. Anders als manchmal sehr abstrakte Kapitalmarktinstrumente sind Immobilien-Investments transparent, verständlich, physisch erlebbar und regional präsent. Unter Umständen stehen sie darüber hinaus mit dem Stiftungszweck in Einklang – beispielsweise wenn es sich um ein Objekt handelt, das in besonderer Weise bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllt, denen sich eine Stiftung verpflichtet hat.
Es gibt keine generellen Verbote
Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass Immobilien-Investments mit einem gewissen Management-Aufwand und im Vergleich zu den (mündelsicheren) Anleihen als Anlageform der Vergangenheit durchaus auch mit Risiken verbunden sind. „Stiftungen denken um: Es geht nicht mehr um Risikovermeidung, sondern um Risikostreuung“, erklärt Jan Jungclaussen, Rechtanwalt, Steuerberater und Senior Associate bei der Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner.
Es geht nicht um Risikovermeidung, sondern um Risikostreuung. Eine für Stiftungen grundsätzlich ungeeignete Anlageklasse gibt es nicht.

„Es gibt für Stiftungen keine grundsätzlich ungeeignete Anlageklasse“, sagt Jan Jungclaussen, weder anlagestrategisch noch – anders als bei institutionellen Investoren – regulatorisch. Manchmal höchstens über von den Stiftungsorganen beschlossene Anlagerichtlinien oder aus der Stiftungsatzung durch den Stifter. Entscheidend sei letztlich der Erhalt des Grundstockvermögens und der Stifterwille. Beides müsse sich natürlich auch im Portfolio wiederfinden; eine Frage, die in den vergangenen Jahren auch vor Gerichten diskutiert wurde. Entspricht ein Investment in einen geschlossenen Immobilienfonds angesichts des Verlustrisikos dem gebotenen Ziel des Kapitalerhalts?
Die aktuelle Rechtsprechung sowie die Stiftungsaufsichten legen keine Beschränkung auf bestimmte Anlageklassen fest, sofern sie Ertrag bringend sind und das Stiftungsvermögen nicht gefährden, was eine ausreichende Diversifizierung und Besicherung erfordert. Die meisten Fonds entsprechen einem Diversifizierungsansatz. Jungclaussen empfiehlt dringend die Formulierung von Anlagerichtlinien, um eine zielgerichtete und konsistente Anlagestrategie über lange Zeiträume hinweg sicherzustellen. Gelingt einer Stiftung aufgrund der Niedrigzinsphase der Nachweis des Kapitalerhalts nicht mehr, so empfiehlt er ein Kapitalerhaltungskonzept aufzustellen und die bisherige Anlagestruktur zu überdenken.
Eine weitere rechtliche Fragestellung bei der Kapitalanlage in Sachwerte durch Stiftungen lautet, bis wann von einer reinen Vermögensanlage und ab wann von einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Stiftung ausgegangen wird – bei Immobilien-Investments beispielsweise ein gewerblicher Grundstückshandel. Diese Unterscheidung hat vor allem steuerrechtliche Auswirkungen. Um unerwartete Belastungen zu vermeiden, empfiehlt Jan Jungclaussen dringend die Einbeziehung spezialisierter Steuer- und Rechtsberater.
Quelle: Rödl & Partner
Breit gestreute Fondsstrukturen sind bestens geeignet, um Klumpenrisiken ebenso wie den operativen Management-Aufwand von Immobilien-Investments zu vermeiden. Nicht nur institutionelle Investoren, sondern auch Stiftungen haben die Möglichkeit, durch Investitionen in geschlossene Immobilienfonds von der Expertise und dem Marktzugang professioneller Investment Manager zu profitieren, ihr Immobilienportfolio breit zu streuen und dabei auch großvolumige Objekte abzudecken und schlussendlich keine Diskussionen über etwaige gewerbliche Tätigkeiten im Immobiliensektor aufkommen zu lassen.